Endlich hatte ich die Möglichkeit das letzte Buch der
Trilogie von Caragh O’Brien zu lesen. Die wunderbare Dystopie spielt einige hundert
Jahre in der Zukunft unserer Welt. Doch anstatt vom Weltall, fliegenden Autos
und sonstigen unvorstellbaren Erfindungen zu lesen, entdeckt man hier eine Welt,
die sich durch die Klimawandlung zurückentwickelt hat. Die Seen und Meere sind
ausgetrocknet und nur noch ein paar Tausend Menschen sind übrig und kämpfen um
das Überleben.
In den Büchern begleiten wir Gaia, eine 17-jährige angehende
Hebamme, auf ihrem Lebensweg. In „Die Stadt der verschwundenen Kinder“ (Birthmarked)
lernen wir einiges über ihre Welt kennen. Wir erfahren, was es für Probleme gibt,
aber auch welche Geheimnisse verschwiegen werden. Das gesamte Leben und alle
Vorstellungen, die Gaia hatte, zerfallen auf einmal, als ihre Eltern verhaftet
werden. In „Das Land der verlorenen Träume“ (Prized) ist Gaia auf der Flucht
und muss sich plötzlich einem ganz neues Regierungssystem stellen. Dabei wird
nicht nur ihre Denkweise auf den Kopf gestellt, sondern auch ihre Gefühlswelt
versinkt im Chaos. In „Der Weg der gefallenen Sterne“ (Promised) treffen beide
Welten aufeinander und Gaia muss mit ihren neu gewonnenen Erfahrungen viele
Menschenleben retten, was ihr nicht so ganz zu gelingen scheint.
Hört sich – vor allem zum Schluss – nach viel Kitsch an?
Nun, wenn man das aus den Büchern rausfiltert, vermag das zu stimmen. Aber das
Setting lässt den Leser dennoch eine Last verspüren. Die Last, die diese
kaputte Welt und die daraus entstehenden Probleme und Konflikte mit sich bringen.
Diese Kulisse lässt die Geschichte lebendig und echt wirken. Im ersten Buch wird
man sogar angeregt über die Erderwärmung und ihre Folgen nachzudenken, aber
auch nicht so viel, dass man sich dazu gedrängt fühlt.
Im ersten Buch hält sich die Autorin nicht zu lange damit
auf, alles zu erklären. Sie nimmt sich gerade genug Zeit, um das Buch nicht weglegen
zu wollen, sodass schon nach den ersten Seiten Fragen auftauchen: Warum
tätowiert Gaia dem Neugeborenen vier Punkte auf den Knöchel? Welchen Zweck
verfolgt das Weggeben der Babys? Und was ist der Grund, für die Verhaftung
ihrer Eltern? Einiges wird direkt beantwortet. Um die restlichen Antworten zu
finden, muss man sich schon gemeinsam mit Gaia auf die Suche danach begeben. So
kommen immer weitere schockierende und überraschende Geheimnisse aus der
Enklave – die Stadt der Reichen - ans Licht. Dabei ist im ersten Buch nicht mal
die Antwort auf die letzte Frage das Überraschendste. Man sucht nach dieser
Antwort und wird unerwartet mit einem ganz anderen Detail aus den Socken
gehauen.
Im zweiten Buch kommt dieser Moment ein wenig früher. Während
Gaia sich einer neuen Regierung unterordnen muss, bringt sie einige Leute wegen
ihrer Unwissenheit in große Gefahr. Auf der Spur einer weiteren Erkenntnis, ist
man im ersten Augenblick sogar ziemlich sprachlos wegen der Originalität einer
Idee. Im nächsten Moment überlegt man sich jedoch, wie das medizinisch gesehen
möglich ist, ohne dass es die Menschen merken. Diese Frage bereitet mir immer noch ziemliches
Kopfzerbrechen, aber ich bin keine Medizinerin.
Aber was ist eigentlich mit Gaia? Gaia wächst behütet auf.
In einer Scheinwelt. In ihrer Naivität begibt sie sich im ersten Buch auf gefährliches
Terrain, ist jedoch sehr entschlossen und lässt sich nicht von ihrem Ziel
abbringen, auch wenn alles, woran sie glaubt, falsch war. Sie wächst mit den
Gefahren und die sind nicht gerade klein in diesen Romanen. Menschen werden
erhängt, gefoltert und in Angst versetzt, damit sie nicht aus der Reihe tanzen.
Aber all dieses Leid, scheint Gaia im ersten Buch nur stärker zu machen.
Dafür fällt ihr Charakter im zweiten Buch in ein tiefes
Loch. Man ist enttäuscht, warum sie ihre neue Stärke lieber verliert als daran
festzuhalten. Sie sollte kämpfen, sich einen Plan überlegen, um
schnellstmöglich in die neue Gesellschaft aufgenommen zu werden. Stattdessen
grübelt sie lieber wochenlang nach und lässt ihren Willen brechen. Ist sie
vielleicht zu unschuldig, um zu lügen? Das kann wohl nur die Autorin
beantworten, aber da verliert die Figur ein wenig ihre Glaubwürdigkeit und das
Vertrauen der Leser. Man zieht die Augenbraue hoch und fragt sich „Warum so
kompliziert, wenn’s einfacher geht?“ Diese Typveränderung erscheint erzwungen,
damit die Geschichte so verlaufen kann, wie sie es in diesem Buch tut. Zum
Glück findet Gaia am Ende doch noch zu sich selbst zurück.
Eine weitere Sache, die dem Leser nervig und unnötig
erscheinen könnte, ist die Vierecksbeziehung. Eine zweite Person, zu der sich
Gaia hingezogen fühlt, scheint nicht genug zu sein. Es wird direkt noch ein
weiterer Charakter eingebaut. Diese Beziehungen wirken übertrieben und an den
Haaren herbeigezogen, um Gaias Liebesleben spannender zu halten, was sie nicht
tun. Es gibt nur einen guten Grund, um eine weitere Person einzufügen
und das, um die Geschichte in die richtige Richtung zu lenken. Warum noch der
dritte Mann in Gaia verliebt sein sollte, ist schleierhaft, denn das
beeinflusst nicht den Ablauf der Geschichte.
So großartig die zwei Regime der ersten beiden Bücher
aufgebaut sind, so unspektakulär treffen diese beiden im dritten Buch
aufeinander. Gaia kehrt zurück in ihre Heimat und damit treffen die Menschen
aus Wharfton auf die aus Sylum. Doch leider erkennt man kaum noch etwas von den
Regeln und Gewohnheiten aus Sylum. Diese werden nur in ein paar Sätzen nebenbei
in die Geschichte reingeschoben. Es gibt kein „Clash of Cultures“, auf das man
sich schon seit dem zweiten Buch gefreut hat. In diesem Buch gibt es nur eine
Auseinandersetzung zwischen Gaia und der Enklave bzw. ihrem Anführer, dem
Protektor.
Und auch hier handelt Gaia schon wieder unüberlegt und naiv.
Sie verfällt in alte Muster. Zu allem Übel wird sie dabei nicht nur weinerlich
(ach, es ist ja alles ihre Schuld, wie sich die Situation entwickelt), sondern
gibt auch selbst zu, dass sie nicht klug gehandelt hat. Während man sich ab und
an an den Kopf fasst und sich fragt, was sie denn da schon wieder tue, fängt
man irgendwann unwillkürlich an auch die Augen zu verdrehen: „Das hättest du
dir auch vorher denken können.“
Alles in allem ist man zwar zufrieden mit dem Ende, auch
wenn es hier kein perfektes Happy End gibt - was für einen Dystopieroman völlig
berechtigt ist - aber dennoch war man immer mal wieder enttäuscht von Gaias
Entwicklung. Das ist aber auch das Einzige, was man im großen Stil kritisieren
kann. Die Geschichte, die Ordnungssysteme, die Geheimnisse und die vielen
Überraschungen machen die Bücher dennoch sehr lesenswert und spannend. Bis zum
Schluss hält man noch den Atem an.
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